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Mittwoch, 10. September 2014

Und täglich grüßt der Gewerbeschein...

Hallo ihr Lieben.
Ich muss mir heute einfach mal etwas von der Seele schreiben.
Und zwar finde ich es sehr erschreckend, wie viele Leute im Nähbereich ein Gewerbe anmelden ohne zu wissen, was genau da eigentlich auf sie zukommt. Und fast noch erschreckender finde ich die Kommentare dazu, die da lauten „Einfach anmelden, kostet nur 20€ und das wars.“
Liebe Leute, BITTE informiert euch richtig, BEVOR ihr zum Gewerbeamt lauft und euch einen Gewerbeschein zulegt. (Und ja, das Ding heisst Gewerbeschein bzw. Gewerbeanmeldung! Es gibt keinen Kleingewerbeschein! Zumindest nicht in Deutschland...)
Mit den 20€ (je nach Stadt auch mehr oder weniger) ist es nämlich bei Weitem nicht getan!
Ihr werdet Post vom Finanzamt, der IHK oder HWK und der Berufsgenossenschaft bekommen. Desweiteren braucht ihr – für den Fall, dass ihr zur Miete wohnt – das Einverständnis eures Vermieters. Falls ihr einen Job habt, die Erlaubnis von eurem Chef oder ggf. die Erlaubnis des Jobcenters, falls ihr keinen Job habt und Geld vom Jobcenter bekommt. Und dann gibt es da noch andere Punkte, die zu beachten sind. Zum Beispiel:
Textilkennzeichnung
Verpackungslizenz
Krankenversicherung
ggf. CE Kennzeichnung
Steuerberater – ja oder nein?
Buchhaltung (ja, die muss man machen)
Kalkulation (!!!)
Welche Stoffe und Schnitte darf man gewerblich nutzen? (NEIN, Lizenzmotive darf man nicht einfach so ohne Erlaubnis gewerblich nutzen!)

Außerdem solltet ihr euch selbst die Frage stellen „Nähe ich gut genug, um meine Sachen wirklich verkaufen zu können?“. Denn seien wir mal ehrlich.... wollt ihr Geld für minderwertige Ware ausgeben mit schiefen Nähten, die eventuell nichtmal einen Waschgang überleben? Sicher nicht, oder? Und nur weil man mal eine Beaniemütze oder eine Pumphose genäht hat, heisst das noch lange nicht, dass man jetzt bereit ist, die Sachen an zahlende Kundschaft zu übergeben. Natürlich gibt es auch die sogenannten Naturtalente, keine Frage! Aber wenn wir ehrlich sind, gibt es die nur selten. Und nur weil man von Freunden und Verwandten gesagt bekommt „Hey das sieht toll aus. Verkauf das doch!“ heisst das nicht, dass man das auch wirklich tun sollte.
Ich will damit nicht sagen, dass man keine Fehler machen darf. Auch ich mache Fehler – so wie jeder andere auch. Aber fehlerhafte Ware sollte NICHT in den Verkauf gelangen! Versetzt euch doch bitte mal in eure Kundschaft. Wenn ihr 20€ für eine Pumphose (um mal bei diesem Beispiel zu bleiben) ausgeben würdet, dann würdet ihr doch auch erwarten, dass sie ordentlich verarbeitet ist und nicht mal schnell mit der (oftmals billigen Discounter-)Maschine zusammengetackert.
Wenn eine Naht nicht richtig sitzt, muss man halt auch mal zum Nahttrenner greifen. Oder (so wie ich, weil ich dazu meistens einfach keine Lust habe) das fertige Teil verschenken. Ich würde nienienieniemals auf die Idee kommen, das dann noch meinen Kunden zu verkaufen! Klar kann man mal was übersehen, aber das sollte nicht die Regel sein!

Und bevor jetzt wieder jemand die „Du bist ja nur neidisch“-Keule auspackt – nein, bin ich nicht! Ich gönne es wirklich jedem von Herzen, wenn er mit seiner Leidenschaft und seinem Hobby gutes Geld verdient. Vorausgesetzt man arbeitet anständig! Ich habe zu vielen Kolleginnen ein freundschaftliches Verhältnis und keiner missgönnt dem anderen etwas. Das setzt aber auch voraus, dass man sich Gedanken und eine Menge Arbeit macht!
Ein Gewerbe ist kein Zuckerschlecken! Es kostet Geld, Zeit und eine Menge Nerven! Und reich wird man damit trotzdem nicht. ;)
Womit wir dann schon beim nächsten Punkt wären: die Preisgestaltung!
Ich kann immer wieder nur mit dem Kopf schütteln, wenn Leute mit Gewerbeschein (von denen ohne rede ich jetzt mal besser nicht...) ihre genähten Sachen für „nen Appel und n Ei“ verschleudern. Warum macht ihr das? Seid ihr euch selbst nichts wert? Bzw. ist euch eure (Lebens-)Zeit nichts wert? Ein Gewerbe ist nicht dafür gedacht, sich sein Hobby zu finanzieren, sondern ist ein ernster Job! Ihr setzt euch doch auch nicht umsonst im Supermarkt 12 Stunden an die Kasse, nur weil es euch gerade Spaß macht, oder? Es ist ja nicht nur so, dass das Material Geld kostet. Dazu kommen noch solche Dinge wie Strom, Maschinenverschleiss, Wasser, evtl. Miete und vor allem anderen eure kostbare Zeit! Auch das sollte man in die Kalkulation mit einfließen lassen!
Ich möchte natürlich niemandem vorschreiben, wie er seine Preise zu gestalten hat. Wirklich nicht! Aber denkt bitte doch einfach mal darüber nach, ob ihr euch selbst wirklich so wenig wert seid! <3

Liebe Grüße,
Tina

4 Kommentare:

  1. Wow. Richtig gut geschrieben. Ich hoffe, dass mehr Leute anfangen, darüber nachzudenken.

    Liebe Grüße
    Madita

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    1. Danke Madita. Das hoffe ich auch. :/

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    2. Das hast Du perfekt geschrieben ,das Leben ist wirklich kein Ponyhof ,

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  2. Du sprichst mir aus der Seele, ich bin manches mal entsetzt, wenn ich sehe, was einige glauben zu können. Nur weil sie drei Stunden Nähkurs absolviert haben und der Loop einigermaßen gelungen ist wollen sie sich gleich selbstständig machen. Dann verkaufen sie munter drauf los, zu Preisen, die viel zu niedrig sind und bringen damit die wirklich gewerblich arbeitenden in Bedrängnis, denn ich kann keinen 30 cm breiten Loop aus Jersey mit 200 cm Umfang für 5 Euro anbieten. Haut nicht hin, aber wem sag ich das....gut, das die meisten recht schnell wieder weg vom Fenster sind.....

    Liebe Grüße
    Silke

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